Kernenergie: Atomkraft in Österreich

Kernenergie: Atomkraft in Österreich

In Österreich gibt es kein Atomkraftwerk - zumindest keines in Funktion. Zwar wurde eines aufgestellt, doch nie regulär in Betrieb genommen. Wir geben einen Überblick zum Thema Kernenergie in Österreich.

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Das Thema Kernenergie ist emotional nicht nur in Österreich aufgeladen. Zwar haben wir das AKW Zwentendorf, doch das dient heute vor allem anderen Nationen zu Sicherheitsschulungszwecken und als Eventlocation. Ansonsten hat sich die Bevölkerung klar gegen die Nutzung von Atomkraft ausgesprochen. Wir präsentieren hier alle geschichtlichen und heutigen Fakten zur Atomkraft in Österreich.

Der Beginn der Atomenergie

Beim radioaktivem Zerfall wird Energie freigesetzt. Die Kernspaltung wurde vom deutschen Physiker Otto Hahn und der österreichischen Physikerin Lise Meitner entdeckt. Ersterer bekam den Nobelpreis verliehen, Meitners Beitrag wurde leider stark geringgeschätzt. Danach ging die Forschung vor allem im Zweiten Weltkrieg steil aufwärts und mündete im abscheulichen Abwurf von zwei Atombomben über Nagasaki und Hiroshima, die bis heute die Macht der Kernenergie in seiner zerstörerischsten Form präsentiert. Ab den 1950er Jahren rückten zivile Nutzen für die Stromerzeugung in den Vordergrund.

1954 ging in Obninsk in der damaligen Sowjetunion das erste wirtschaftlich genutzte Kernkraftwerk in Betrieb. Zwei Jahre später startete Calder Hall in Großbritannien mit einer Leistung von 50 MW, 1957 ging in den USA der erste Reaktor im kalifornischen Vellecitos in Betrieb, rund 50 km von San Francisco entfernt. 1969 ging im schweizerischen Beznau ein Reaktor ans Netz, der heute das älteste noch aktive Kernkraftwerk darstellt. Ab den 1970ern nahm die Anzahl radikal zu, bis sie 2022 auf 440 Reaktoren anschwoll. Von diesen sind 201 Blöcke nicht mehr in Betrieb.

Erstes Vorstoßen und frühes Scheitern der Atomkraftbefürworter Österreichs

Die Befürworter der Atomkraft in Österreich starteten optimistisch. Die gesamte Parteienlandschaft befürwortete den Einstieg in die atomare Energieerzeugung und die Nutzung von Atomenergie zu friedlichen Zwecken wurde bereits in den 1950er Jahren beworben. Bis zum Staatsvertrag 1955 war allerdings jede Tätigkeit auf dem Gebiet der Kernenergie untersagt.

1960 wurde ein Reaktor zu Forschungszwecken in Seibersdorf bei Wien in Betrieb genommen, ermöglicht durch finanzielle und technische Unterstützung der Kernenergiekommission der USA. Dieser Reaktor war bis knapp vor der Jahrtausendwende in Betrieb. Im März 1962 folgte ein weiterer Reaktor im Prater, der bis heute den Wiener Universitäten zu Lehr- und Forschungszwecken dient. Über keinen dieser Reaktorbauten gab es nennenswerte Diskussionen, sie sind der Allgemeinheit auch nahezu unbekannt.

Schließlich sollten 1969 drei kommerzielle Atomkraftwerke gebaut werden: Zwentendorf, St. Pantaleon und St. Andrä im Lavanttal. Sie sollten eine Gesamtleistung von 3.300 MW liefern. Die Bauarbeiten fingen 1972 in Zwentendorf an und kosteten etwa 5,2 Milliarden Schilling - das entspricht einer heutigen Kaufkraft von circa 1,6 Milliarden Euro. Zunächst gab es nur vereinzelt Proteste, vor allem von linken Protestgruppen und der ARGE Nein zu Zwentendorf um den Geologieprofessor Alexander Tollmann.

Schließlich wuchs die Zahl der Kritiker in der Gesellschaft, bis die Ablehnung zunehmend die Mitte der Gesellschaft erreichte. Bei Fertigstellung der Anlage wog sich insbesondere die Bevölkerung in Zwentendorf auf - mit Sprechchören, Demonstrationen, sogar durch nachts durchgeschnittene Strommasten nahe des AKWs. Um Kritikern entgegentreten zu können, wagte SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky die Zerreißprobe: Mit einer Volksabstimmung sollte Österreich direkt gefragt werden, ob das AKW in Verwendung gehen sollte. Kreisky rechnete zuerst mit einem überlegenen Sieg für die Verwendung des AKWs, realisierte aber bald, dass der Ausgang nur knapp werden würde. Um die Stimmung eindeutig für die Verwendung des Kraftwerks umzuschwenken, signalisierte der sehr beliebte Politiker, dass er bei einer Absage zurücktreten würde. Dies befeuerte die politische Gegenlandschaft, vor allem die ÖVP, auf ein Nein zum AKW Zwentendorf zu setzen. Kreisky-Gegner, Grüne, Alternative und eine große Anzahl an Atomkritikern schafften so eine Mehrheit von 50,47 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 64,1 Prozent.

In weiterer Folge wurde noch im Dezember 1978 das Atomsperrgesetz verabschiedet, das sowohl 1997 durch einstimmigen Parlamentsbeschluss für ein atomfreies Österreich, als auch durch das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich 1999 bekräftigt wurde.

Zunächst akzeptierte Kreisky das Votum, doch sowohl er als auch die Nachfolgeregierung ließen eine mögliche Inbetriebnahme von Zwentendorf nicht ruhen. Das Inbetriebhalten verschlang 600 Millionen Schilling. Erst mit dem Super-GAU von Tschernobyl 1986 endeten alle diese Pläne völlig und Zwentendorf wurde still liquidiert. Österreich zählte dabei zu den am stärksten betroffenen Gebieten außerhalb der damaligen Sowjetunion. Auch über 35 Jahre nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl ist in Wildpilzen und Wildfleisch noch immer radioaktives Cäsium-137 in erhöhtem Maß zu finden. Das Bundesministerium erhebt daher regelmäßig die radioaktive Belastung von Wildpilzen und Wildfleisch aus den besonders kontaminierten Gebieten wie zum Beispiel dem Salzkammergut, den Tauernregionen oder der Koralpenregion.

Das Atomkraftwerk Zwentendorf ging nie in Betrieb. Heute dient es zu Ausbildungszwecken, etwa zum Sicherheitstraining für den Betrieb in aktiven Kernkraftwerken oder Katastrophenschutz, als Austragungsort für Festivals und gelegentlich auch als Filmkulisse. Der Reaktor kann seit 2010 besichtigt werden.

Österreich nach 1985 - Eine überzeugte Anti-Atomkraftnation

Die Atomkraftgegner konnten feiern und die beginnende Grüne Alternative schaffte 1986 den Einzug ins Parlament. International hingegen reagierte man mit Verwunderung. Mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl wandelten sich praktisch alle früheren Atomkraftbefürworter zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Kernenergie in Österreich. Heute besteht ein gesellschaftlicher Konsens quer durch alle Bevölkerungsschichten, der Atomkraft ablehnt.

Atommüll in Österreich

Die EU-Richtlinie 2011/70/Euratom verpflichtet alle Mitgliedstaaten zur sicheren und verantwortungsvollen Entsorgung ihres radioaktiven Abfalls. Zwar haben wir kein Atomkraftwerk, doch der anfallende Atommüll aus Medizin, Industrie und Forschung muss auch bei uns ein Lager finden.

Seit 1974 lagern im Nuclear Engineering Seibersdorf (NES) in Niederösterreich rund 12.000 Fässer mit je 200 Liter Fassungsvermögen. Dabei ist dies kein Endlager, sondern nur ein Zwischenlager bis 2045. Ein endgültiger Lageplatz wird noch gesucht - und da hier wegen der EU-Vorschriften Handlungsbedarf herrscht, trat Ende März 2021 der Österreichische Beirat für die Entsorgung der schwach und mittelradioaktiver Abfälle zum ersten Mal zusammen. Dieser Nationale Entsorgungsbeirat soll in den nächsten Jahren eine Lösung für die sichere Endlagerung über einen Zeitraum von 300 Jahren finden.

Einfach eingraben? So einfach ist das leider nicht, denn radioaktiver Müll strahlt und kann damit Erdboden oder Wasser radiotoxisch verseuchen. In den meisten Fällen strahlt radioaktiver Müll von Atomkraftwerken viele tausend Jahre. Deshalb stellt die endgültige Lagerung so ein großes Problem dar, das auch noch viele Generationen nach uns belasten wird - sowohl finanziell als auch gesundheitlich.

Was ist die Halbwertszeit? Die Halbwertszeit gibt an, in welcher Zeitspanne sich die Aktivität der Strahlung um die Hälfte verringert hat. Diese ist wichtig, um zu ermitteln, wann ein Stoff nicht mehr radioaktiv schädigend ist. Manche strahlenden Stoffe haben eine sehr kurze Halbwertszeit von wenigen Minuten oder Tagen, viele jedoch von mehreren tausend Jahren. Zum Beispiel hat Plutonium eine Halbwertszeit von 24.110 Jahren. Das bedeutet erst nach 240.000 Jahren ist die Radioaktivität größtenteils zerfallen und nicht mehr schädlich. Nur zum Vergleich, die Steinzeit in Europa endete vor etwa 4.200 Jahren.

Atommülllagerung weltweit

Weltweit wird Atommüll aus Atomkraftwerken zunächst in Abklingbecken der Reaktoren und danach in Zwischenlagern untergebracht. Eine endgültige Lagerung gibt es weltweit noch nicht, manche Staaten kippen den Müll auch mehr oder weniger einfach ins Meer, in Bohrlöcher oder in alte Bergwerke. Oft mit dem Problem, das die Fässer nicht dauerhaft korrosionsfest sind und anfangen auszulaufen oder auch Wasser unverhofft in das Lager eintritt und damit den Grundwasserspiegel verseucht. Eine stabile und dauerhaft sichere Lösung gibt es bislang einfach noch nicht.

In Deutschland gab es Pläne das Lager im niedersächsischen Gorleben zu einem Endlager auszubauen. Der Probebetrieb dafür lief bereits an. Der Salzstock Gorleben erwies sich aber geologisch als ungeeignet, doch wurde das Projekt nur wegen massiver Proteste der Bevölkerung eingestellt. Die bereits errichtete Konditionierungsanlage zum Umfüllen radioaktiven Abfalls ging nicht in Betrieb. Auch weitere Projekte in der Umgebung, wie ein Entsorgungszentrum, eine Wiederaufbereitungsanlage und ein weiteres Kernkraftwerk wurden wieder verworfen.

In den USA in der Nähe von Carlsbad in New Mexico gibt es ein Endlager für Abfälle aus militärischer Kernenergienutzung: das WIPP. Dieses wurde 1999 in Betrieb genommen und lagert vor allem Transuranabfall mit hohem Gehalt an Alphastrahlern. Die in 650 Meter Tiefe gelegene Salzformation bietet leider nicht so viel Sicherheit wie erwünscht, denn zum einen ist die Salzschicht nicht trocken, zum anderen gab es bereits 2014 einen Störfall durch sich erhitzende Fässer, die falsch gefüllt wurden.

Es sind einige Endlager geplant:

  • In Finnland möchte man nun in Onkalo das weltweit erste dauerhafte Lager für hochradioaktiven Müll aus Atomkraftwerken bauen, dass sich in der Nähe des AKW-Standorts Olkiluoto befindet. Abgebrannte Brennelemente sollen in 2800 kupferbeschichtete Kanister verpackt und mit verpresstem Bentonit ummantelt in Tunneln 500 Meter unter der Erde gelagert werden. Im Falle eines Erdbebens oder eines terroristischen Anschlags ist die Sicherheit leider trotzdem nicht gewährleistet. Auch wird bezweifelt, ob die Kupferkanister korrosionssicher sind.

  • In Schweden möchte man zukünftig in der Gemeinde Östhammar, in der auch das Kernkraftwerk Forsmark steht, im zugehörigen SFR Forsmark nicht nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle, sondern auch hochradioaktive Abfälle zwischenlagern. Dieses Lager befindet sich in 60 Meter Tiefe im Fels unterhalb des Baltischen Meeres.

  • Frankreich möchte in Bure, im Département Meuse ebenfalls ein Endlager errichten, das dem durch die französische Atommüllbehörde ANDRA betriebene Untertagelabor angeschlossen werden soll. Hier gab es bereits im Vorfeld schon ein Sicherheitsproblem, da die Pläne entwendet und öffentlich gemacht wurden.

Gefahr Atomunfall - Warum Österreich dennoch direkt betroffen ist

Österreich selbst besitzt zwar keine Kernreaktoren zur Energiegewinnung - seine Nachbarstaaten hingegen dafür in zum Teil hoher Zahl. Neun Anlagen liegen in einem Radius von 200 Kilometer oder näher. Zahlreiche weitere gibt es darüber hinaus. Das nächste uns gelegene AKW ist Dukovany in der Tschechischen Republik. Nur zum Vergleich: Das ukrainische Tschernobyl liegt über 1.000 Kilometer von Wien entfernt.

Folgende Atomkraftwerke liegen zwischen 40 und 200 Kilometer von der österreichischen Staatsgrenze entfernt:

  • Dokovany (Tschechien, 40 km) mit 4 Hochrisikoreaktoren
  • Bohunice (Slowakei, 60 km) mit 2 Hochrisikoreaktoren
  • Temelin (Tschechien, 64 km) mit 2 Reaktoren
  • Krško (Slowenien, 70 km) mit 1 Hochrisikoreaktor
  • Mochovce (Slowakei, 100 km) mit 2 Hochrisikoreaktoren
  • Leibstadt (Schweiz, 110 km) mit 1 Hochrisikoreaktor
  • Beznau (Schweiz, 110 km) mit 2 Hochrisikoreaktoren
  • Gösgen (Schweiz, 130 km) mit 1 Hochrisikoreaktor
  • Paks (Ungarn, 180 km) mit 4 Hochrisikoreaktoren

Der Zustand der Atomkraftwerke in direkter österreichischer Nähe ist teilweise beängstigend: So stammen die Mochovce-Reaktoren aus der ersten Generation russischer AKWs. Als noch riskanter werden aber die ersten zwei Blöcke in Bohunice eingestuft. Bei beiden ist die Liste der Störfälle mit teilweisem Austritt von Radioaktivität lange. Diesen stehen die tschechischen Anlagen in Temelin und Dokovany um nichts nach, auch bei diesen gibt es für den Ernstfall kein Containment.

Beim Schweizer AKW Beznau handelt es sich um die älteste noch in Betrieb befindliche Anlage von Reaktoren, in Leibstadt sind schwere Sicherheitsmängel an den Brennelementen seit 2017 wiederholt gemeldet worden und auch in der Anlage Gösgen kam es, wie bei den anderen, immer wieder zu Schnellabschaltungen auf Grund von fehlerhaften Elementen in der Leittechnik.

Das slowenische Atomkraftwerk in Krško steht direkt in einer Erdbebenzone, bei der es eine starke seismische Aktivität gibt. Einer der vier Reaktoren im ungarischen Paks musste nach einem schweren Störfall längere Zeit abgeschaltet werden, der scharf am GAU vorbeischrammte.

Die deutschen Anlagen in Isar und Neckarwestheim wurden mit April 2023 eingestellt. Glücklicherweise, denn hier gab es schwere Mängel, wie etwa in Neckarwestheim, bei der Dichtungsrisse für Wassereintritt an den Kabeln der Notstromversorgung sorgten, und radioaktives Kühlwasser in die Neckar geleitet wurde. In Isar gab es nicht nur Instabilitäten beim Reaktor, sondern auch 2012 einen Zwischenfall wodurch hochgiftiges Hydrazin ins Trinkwassernetz gelang.

Atomfreie Zukunft?

Nicht erst seit den Super-GAUs in Tschernobyl und Fukushima wird die Kritik an Atomkraftwerken immer lauter. Vor allem die Endlagerung von Atommüll ist nicht nur hochriskant, sondern immer noch problematisch. Doch ohne Atomkraft - ist das überhaupt möglich? Wenn es nach der Atomlobby geht, scheint es manchmal, als wäre Stromversorgung ohne Kernenergie gar nicht möglich. Dabei steuern Atomkraftwerke nur rund zehn Prozent der globalen Stromerzeugung bei. Seit 2019 überholten erneuerbare Energie aus Wind, Sonne und Biomasse sogar die Atomenergie - nicht eingerechnet die Wasserkraft, die alleine sogar 60 Prozent mehr als die Kernspaltung liefert.

Aus welchen Quellen Länder ihren Strombedarf decken, unterscheidet sich sehr stark. Nur drei Staaten, Frankreich, die Slowakei und die Ukraine, decken mehr als die Hälfte ihrer Erzeugung mit Atomstrom. In den USA liegt der Beitrag unter 20 Prozent, in Großbritannien 15 Prozent, in Deutschland 12 und in China sogar unter 5 Prozent. Das liegt vor allem an der Ineffizienz von Atomenergie. Rund zwei Drittel der Primärenergie der Kernspaltungsenergie geht als Abwärme verloren. Nach Abzug von Transport und Verteilsystemen kommen nur 4 Prozent als Strom beim Endverbraucher an.

Pro-Atomkraft EU-Staaten

Mit dem Klimanotstand hat die EU aber 2022 Atomkraftwerke als “klimafreundliche Energien” eingestuft. So wundert es nicht, dass viele europäische Nationen keinerlei Intentionen haben, die Kernenergienutzung zu reduzieren. Etwa Tschechien, da in Temelin vier Reaktoren stehen, die erst 2002 kommerziell in Betrieb genommen wurden.

In der Slowakei kam es 2009 fast zu einem Energiekollaps, als bei einem Streit zwischen Russland und der Ukraine die Gaslieferung unterbrochen wurde. Daraufhin beschloss die slowakische Regierung, als Notmaßnahme den wegen eines schweren Störfalls abgeschalteten Block in Bohunice für begrenzte Zeit wieder in Betrieb zu nehmen. Dabei wurde der EU-Beitrittsvertrag bewusst verletzt und die zu erwartenden Proteste von Österreich eiskalt in Kauf genommen. Da die Gaslieferungen rasch wieder anliefen, zog die Slowakei das Wiederanfahren zurück. Trotzdem sind die Ausbaupläne für zwei weitere Blöcke in Mochovce immer noch auf dem Tisch.

In Frankreich stammen über 70 Prozent der Energie aus Atomkraftwerken, die vom staatlichen Stromkonzern EDF betrieben werden, der massiv in der EU lobbyiert. Trotz der massiven Sicherheitsmängel an zahlreichen Meilern, wie die seit 2017 korrodierten Kühlleitungen, den 2022 festgestellten Beanstandungen an den Schweißnähten und der nicht zureichenden Kühlung durch Wassermangel, verbleibt Frankreich bei der Kernenergie. 2022 kündigte Präsident Emmanuel Macron an, das 14 neue AKWs gebaut werden sollen, bei den alten Anlagen werden die Laufzeiten um 50 Jahre erhöht.

Nach der Katastrophe von Three Mile Island wollte Schweden 1980 aus der Atomenergie aussteigen, und eine Mehrheit sprach sich dafür bei einer Volksabstimmung aus. Das Parlament beschloss zwar, dass keine weiteren AKWs gebaut werden sollten, ließ aber sechs Reaktoren noch fertigstellen. Schließlich wollte man 2000 aus der Atomkraft aussteigen, doch verlängerte man auf 2010 und hob das Vorhaben 2009 einfach auf. 2023 gab die Regierung bekannt, sie möchte Neubauten von Kernkraftanlagen wieder zulassen.

Anti-Atomkraft EU-Staaten

Irland teilt sein Schicksal mit Österreich: Auch dort war der Bau eines Atomkraftwerks schon beschlossen. Im Unterschied zu Zwentendorf war der Bau von Carnsore Point nur weit fortgeschritten, nicht abgeschlossen. Nach massiven Protesten 1970 ging das AKW nie in Betrieb.

Griechenland konnte sich auf Grund seiner hohen seismischen Aktivitäten nie zur Errichtung eines AKWs durchringen, da die Sicherheit bei See- und Erdbeben einfach nicht gegeben war.

Dänemark entschied sich 1985 mittels Parlamentsbeschluss gegen die Nutzung von Atomenergie. Es deckt seinen Energiebedarf zu mehr als 50 Prozent aus erneuerbaren Energien.

Italien nahm in den 1960ern vier Atomkraftwerke in Caorso, Enrico Fermi, Garigliano und Latina in Betrieb. Nach der Katastrophe von Tschernobyl kam es 1987 zu einer Volksabstimmung, bei der der Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen wurde. Nach Abschaltung und Rückbauten erfolgte die offizielle Stilllegung 1990. Nach der Jahrtausendwende wurde eine Rückkehr wieder angedacht, doch bei der Volksabstimmung Mitte 2011, unmittelbar nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima, stimmten 94,1 % der Abstimmenden gegen den Wiedereinstieg ab.

Litauen stieg im Zuge seines EU-Beitritts aus der Atomenergie aus. Von 1983 bis 2009 wurde das AKW Ignalina am Drūkšiai-See betrieben und sorgte für einen Anteil von 70 Prozent der litauischen Gesamtstromerzeugung, wurde aber schließlich stillgelegt. 2012 gab es Überlegungen ein neues Atomkraftwerk bei Visaginas zu errichten, doch die Bevölkerung sprach sich bei einem Referendum mehrheitlich dagegen aus.

Die Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 regte Deutschland zum Ausstieg aus der Atomkraft an. Insgesamt waren zwischen 1957 und 2004 über 110 kerntechnische Anlagen in Betrieb genommen worden. Die letzten drei Atomkraftwerke Isar, Emsland und Neckarwestheim wurden wegen des Ukrainekonflikts erst im April 2023 abgeschaltet, statt wie geplant mit Dezember 2022. Andere umstrittene Hochrisikoreaktoren wie Biblis, Grafenrheinfeld, Grundremmingen oder Grohnde wurden größtenteils zwischen 2011 bis 2021 heruntergefahren.

Länder, die aus der Atomkraft aussteigen wollen

Spanien kündigte 2019 an, zwischen 2027 und 2035 alle Atomkraftwerke abzuschalten. Dort werden an fünf Standorten sieben Reaktorblöcke betrieben: Almaraz I und II, Ascó I und II, Cofrentes, Trillo I und Vandellós II. Die Kernenergie stellt rund 22 Prozent der Stromproduktion, dicht gefolgt von der Windenergie mit 21 Prozent. Fünf weitere geplante Bauten wurden eingestellt. Seit 2000 hat Spanien seine Uranminen stillgelegt und rückgebaut.

Belgien betreibt drei Hochrisikoreaktoren an zwei Standorten: Doel und Tihange. Beide sind für zahlreiche schwere Störfälle bekannt. 2025 möchte man aus der Atomenergie aussteigen.

( Zuletzt aktualisiert: 10.05.2023. Ursprünglich veröffentlicht: 12.01.2023 )

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Über die Autorin
Geschrieben von Mag. Victoria Breitsprecher, MA
Mag. Victoria Breitsprecher, MA
Victoria ist technische Redakteurin bei tarife.at. Sie bringt hochkomplizierte, technische Begriffe in eine verständliche Sprache. Unterstützung bekommt die Technik-Liebhaberin von ihrem Büro-Hund, Herr Baron 🐶.

Häufige Fragen zum Thema Kernenergie: Atomkraft in Österreich

Grundlastfähige Kraftwerke können zu jeder Zeit Strom liefern. Dazu zählen die in Österreich besonders bedeutenden Wasserkraftwerke. Sie liefern rund zwei Drittel der österreichischen Stromproduktion. Grün sind sie auch, denn sie gehören zu den erneuerbaren Energien und damit zum Ökostrom.

Biomassekraftwerke sind grundlastfähig, weil sie jederzeit hochgefahren werden und Strom produzieren können. Die Energie stammt vor allem aus Holzrohstoffen, der Landwirtschaft und Abfällen. Unterschieden wird bei ihr zwischen fester (Holz), flüssiger (Biotreibstoffe) und gasförmiger Biomasse (Biogas). Ihre Bedeutung steigt vermehrt und sie ist mit einem Anteil von rund 17 Prozent der wichtigste erneuerbare Energieträger.

Nicht in Österreich verwendet werden Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke. Kohlekraftwerke gelten als grundlastfähig, doch sind sie schlecht regulierbar. Sie weisen Kaltstartzeiten von neun bis 15 Stunden auf. Dazu sind sie kostenintensiv und haben einen hohen CO2-Ausstoß. Auch Atomkraftwerken gelten als grundlastfähig. Doch auch hier ist die Regulierung ein großes Problem, da das Wiederhochfahren eines Reaktors je nach Betriebsbedingungen mindestens drei Stunden aus unterkritisch heißem Zustand benötigt, und mindestens zehn bis zwölf Stunden aus dem kalten Zustand. Sie benötigen daher viel zu viel Zeit, um schnell auf Spannungsspitzen reagieren zu können. Ebenso gibt es die Gefahr von atomarer Verseuchung, sowohl durch einen Unfall, als auch durch den ständig anfallenden Atommüll.


In Österreich gibt es kein Atomkraftwerk - zumindest keines in Funktion. 1969 sollten drei kommerzielle Atomkraftwerke gebaut werden: Zwentendorf, St. Pantaleon und St. Andrä im Lavanttal. Die Bauarbeiten fingen 1972 in Zwentendorf an, jedoch wurde es wegen der Proteste nie regulär in Betrieb genommen. Heute dient es zu Ausbildungszwecken, etwa zum Sicherheitstraining für den Betrieb in aktiven Kernkraftwerken oder Katastrophenschutz, als Austragungsort für Festivals und gelegentlich auch als Filmkulisse. Der Reaktor kann seit 2010 besichtigt werden.


Die EU-Richtlinie 2011/70/Euratom verpflichtet alle Mitgliedstaaten zur sicheren und verantwortungsvollen Entsorgung ihres radioaktiven Abfalls. Zwar haben wir kein Atomkraftwerk, doch der anfallende Atommüll aus Medizin, Industrie und Forschung muss auch bei uns ein Lager finden.

Seit 1974 lagern im Nuclear Engineering Seibersdorf (NES) in Niederösterreich rund 12.000 Fässer mit je 200 Liter Fassungsvermögen. Dabei ist dies kein Endlager, sondern nur ein Zwischenlager bis 2045. Ein endgültiger Lageplatz wird noch gesucht - und da hier wegen der EU-Vorschriften Handlungsbedarf herrscht, trat Ende März 2021 der Österreichische Beirat für die Entsorgung der schwach und mittelradioaktiver Abfälle zum ersten Mal zusammen. Dieser Nationale Entsorgungsbeirat soll in den nächsten Jahren eine Lösung für die sichere Endlagerung über einen Zeitraum von 300 Jahren finden.

Weltweit wird Atommüll aus Atomkraftwerken zunächst in Abklingbecken der Reaktoren und danach in Zwischenlagern untergebracht. Eine endgültige Lagerung gibt es weltweit noch nicht, manche Staaten kippen den Müll auch mehr oder weniger einfach ins Meer, in Bohrlöcher oder in alte Bergwerke.


Ja, leider schon. Österreich selbst besitzt zwar keine Kernreaktoren zur Energiegewinnung - seine Nachbarstaaten hingegen dafür in zum Teil hoher Zahl. Neun Anlagen liegen in einem Radius von 200 Kilometer oder näher. Zahlreiche weitere gibt es darüber hinaus. Das nächste uns gelegene AKW ist Dukovany in der Tschechischen Republik. Nur zum Vergleich: Das ukrainische Tschernobyl liegt über 1.000 Kilometer von Wien entfernt, und hat großen Schaden angerichtet.


Nein, denn Atomkraftwerke steuern nur rund zehn Prozent der globalen Stromerzeugung bei. Seit 2019 überholten erneuerbare Energie aus Wind, Sonne und Biomasse sogar die Atomenergie - nicht eingerechnet die Wasserkraft, die alleine sogar 60 Prozent mehr als die Kernspaltung liefert.

Aus welchen Quellen Länder ihren Strombedarf decken, unterscheidet sich sehr stark. Nur drei Staaten, Frankreich, die Slowakei und die Ukraine, decken mehr als die Hälfte ihrer Erzeugung mit Atomstrom. In den USA liegt der Beitrag unter 20 Prozent, in Großbritannien 15 Prozent, in Deutschland 12 und in China sogar unter 5 Prozent. Das liegt vor allem an der Ineffizienz von Atomenergie. Rund zwei Drittel der Primärenergie der Kernspaltungsenergie geht als Abwärme verloren. Nach Abzug von Transport und Verteilsystemen kommen nur 4 Prozent als Strom beim Endverbraucher an.


Ohne die massive Förderung von Atomstrom in der EU, wäre der “strahlende Strom” deutlich teurer: Die konservative US Investmentbank Lazard berechnet bei der Atomkraft zwischen 129 und 198 US-Dollar pro Megawattstunde. Wobei die Kosten für Erneuerbare wie Solarkraftwerke bei 29 bis 38 US-Dollar und Windkraft bei 26 bis 54 US-Dollar liegen. Die Internationale Energie Agentur (IEA World Energy Outlook 2020) berechnet hier noch sehr atomfreundlich Flexibilität und Grundlastfähigkeit mit ein. Doch auch dieses Ergebnis für sogenanntes VALCOE („Value-adjusted Levelized Cost of Electricity“) ist vernichtend für Atomkraft: Für die EU im Jahr 2019 berechnet die Agentur Kosten für Atomenergie in Höhe von 145 US-Dollar pro Megawattstunde – für Solar 85 US-Dollar, für Windkraft auf Land 80 US-Dollar und selbst für Offshore-Windkraft 115 US-Dollar.

Einige EU-Länder versuchen mit großen Mengen Steuergeld entgegenzuwirken um die nationale Atomindustrie künstlich am Leben zu halten. Die Basis für die erlaubte Wettbewerbsverzerrung liegt in einem der Gründungsverträge der EU, dem EURATOM-Vertrag.