Stromerzeugung durch Blaualgen: Bakterienkulturen als alternativer Energieträger der Zukunft?

Stromerzeugung durch Blaualgen: Bakterienkulturen als alternativer Energieträger der Zukunft?

Strom aus Champignonplantagen oder Blaualgenkulturen erzeugen: Was klingt wie aus einem fantasievollen SciFi-Roman entsprungen, ist im Labor bereits Realität. Der derzeitige Forschungsstand steckt zwar noch in seinen Kinderschuhen, birgt aber überraschende Resultate.

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Bakterienkulturen bringen regenerierende Eigenschaften mit sich, die eine langlebige und wartungsarme Energieversorgung in Zukunft möglich machen könnten. Vor allem angesichts der geplanten Energiewende der Europäischen Union (und der Problematik einer raschen Umsetzung) bieten Bakterien eine neue Perspektive, die bisher kaum beachtet wurde.

Energie aus Cyanobakterien: Wie funktioniert das?

Besser bekannt sind Cyanobakterien als Blaualgen. Es handelt sich hier um sehr einfache Mechanismen, die zwischen zwei Zuständen unterscheiden - Dunkelheit und Licht. Bei Lichtzufuhr betreiben die Bakterien Photosynthese, verbrauchen demnach Wasser und Kohlendioxid, das in Zucker und Sauerstoff umgewandelt wird. Bei Dunkelheit setzen die Algen die gespeicherten Zuckermoleküle um, erzeugen somit Energie. Bei beiden Prozessen gelang es Forschern, Elektronen aus den Cyanobakterien zu leiten und so Strom zu erzeugen. Heute arbeiteten einige Forscherteams an Lösungen, mit denen es bereits auf unterschiedliche Art und Weise gelungen ist Strom herzustellen.

Cyanobakterien für die Stromerzeugung - Durch die Extrahierung von Wasserstoff

Der Mikrobiologe Andreas Schmid vom Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig forscht an der Bakterienkultur in etwas anderem Stil. Statt an Champignons lässt er die Kultur direkt an den Elektroden wachsen, die in gitterförmiger Form die meiste Energieeffizienz bieten. Ziel des Vorhabens ist es aber nicht, direkt Strom zu generieren, sondern vielmehr im Prozess der Photosynthese bei Lichtzufuhr und Energieaufbereitung bei Dunkelheit Wasserstoff aus den Algen zu extrahieren. Denn Wasserstoff kann ähnlich wie Erdöl verbrannt werden, jedoch ohne dabei Schadstoffe abzusondern. Weil bei der Verbrennung nur Sauerstoff als Abfallprodukt entsteht, handelt es sich um eine interessante Lösung für die klimapolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhundert. Bis jetzt konnte Andreas Schmid im Experiment nur 50 Mikroampere mit dem extrahierten Wasserstoff generieren - gerade einmal genug, um eine Digitaluhr zu betreiben. Interessant sind aber nicht nur die Strategien, sondern auch die Ziele der Forschung. So sieht der Mikrobiologe “Öko-Reaktoren”, in denen Wasserstoff extrahiert und später genutzt werden kann, an den Dächern von Privathäusern als langfristige Vision. Der Forscher räumt dabei ein, dass die Technologie frühestens in 10 Jahren tatsächlich genutzt werden könnte.

Cyanobakterien auf Champignons: Eine erfolgreiche Kombination

Das Forschungsteam um Manu S. Mannoor am Stevens Institute of Technology aus New Jersey kombiniert Champignons mit Cyanobakterien und konnte bisher dabei erstaunliche Resultate vollbringen. Konkret liefern die lebenden Pilze nur einen nahrhaften Untergrund für die essentiellen Bakterienkulturen. Die Blaualgen fühlen sich auf dem porösen Pilzen wohl, weil so Nährstoffe und Wasser ausgetauscht werden können. Die Pilzfäden funktionieren hervorragend als Trägersubstanz, andere Pflanzen eignen sich aufgrund der isolierenden Oberfläche nicht besonders gut. Über dem Pilzhut ist ein Geflecht aus Kohlenstoff in Leitbahnen gelegt, das sehr gute leitende Eigenschaften hat. Bei der Herstellung wurden Graphen-Nanobänder mit Kunststoff gemischt. Die leitenden Flächen stammen aus dem 3D-Drucker. Der Versuch zeigt vor allem, dass es auf den Untergrund der Bakterienkultur bei der Stromerzeugung ankommt.

Durch die Integration von Cyanobakterien, mit nanoskaligen Materialien, die den Strom erzeugen können, konnten wir die einzigartigen Eigenschaften beider Systeme besser nutzen, sie erweitern und ein völlig neues funktionales bionisches System schaffen. Platziert man die Cyanobakterien auf Silikon oder Kunststoff, sterben sie innerhalb kurzer Zeit ab. Der Pilz trägt zwar nicht zur Stromerzeugung bei, versorgt aber die Blaualgen. Wie viel Strom produziert die Bakterienkultur auf dem Pilzhut dabei? Etwa 65 Nanoampere. Das reicht leider nicht einmal aus, um eine Digitaluhr zu betreiben. Zukunftsweisend ist es dennoch - Schließlich könnten in der Zukunft hunderttausende Champignons zur Stromversorgung beitragen.

Manu S. Mannoor
Stevens Institute of Technology New Jersey

Welche nächsten Schritte stehen der Forschung mit Cyanobakterien bevor?

Die Forschung steht beim Thema Stromerzeugung noch ganz am Anfang. Bis jetzt wurden nur extrem geringe Mengen an Strom in kleinen Experimenten erzeugt. Jetzt muss die Stromerzeugung so effizient wie möglich gestaltet und die Ausbeute maximiert werden. Anschließend sollte die Stromerzeugung schlichtweg skaliert werden, um herauszufinden, wie viel Cyanobakterien bei größer angelegten Kulturen arbeiten und welche eventuellen Probleme dabei auftreten können. Bereits mit heutigen Forschungsergebnissen könnte man fragen:

Wie viele Cyanobakterien benötigt man, um eine Wohnung mit Strom zu versorgen?

Angenommen, man setzt die Bakterienkulturen auf Pilzen wie im Experiment des Forscherteams des Stevens Institute of Technology. Damit generieren die Cyanobakterien auf einem Pilzhut etwa 65 Nanoampere. Weil die Forscher nicht offenlegen, wie viel Volt sie mit den Bakterien produzierten, kann keine akkurate Rechnung aufgestellt werden. Sind die Volt vergleichsweise hoch, könnte man bereits mit weniger als 1.000 Pilzen eine Wohnung versorgen. In der Realität ist die Voltzahl jedoch wahrscheinlich wesentlich geringer, weshalb zehntausende oder sogar hunderttausende Pilze für die Stromversorgung einer einzigen, durchschnittlich großen Wohnung benötigt werden würden. Zusätzlich muss gesagt werden, dass man hier von optimalen Bedingungen ausgeht und etwaige Verluste wie etwa bei der Stromleitung bis zur Wohnung noch gar nicht mit eingerechnet hat.

Ganz ähnliche Probleme würden auftreten, wenn man Bakterienkulturen auf Dächern installiert. Denn wie würde sich die Stromproduktion der Blaualgen verändern, wenn es zu starken Temperaturschwankungen käme? Die Bakterien selbst regenerieren sich zwar, wie lange würde jedoch das Material der Anlage angesichts der Algenkulturen reibungslos funktionieren? Diese und andere Fragen zeigen, dass sich die Forschung hier in einem Stadium befindet, in dem noch schwer abgeschätzt werden kann, wann Cyanobakterien tatsächlich effizient zur Stromerzeugung verwendet werden können. 10 Jahre sind hier sehr optimistisch, wahrscheinlich dauert es noch Jahrzehnte, bis Cyanobakterien kommerziell zur Stromerzeugung genutzt werden können.

Handelt es sich bei der Stromerzeugung mit Cyanobakterien um eine förderungswürdige Nische?

Österreich versorgt sich zu rund 75 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Quellen, möchte bis 2030 aber den Energiebedarf zu hundert Prozent durch erneuerbare Energieträger decken. Gerade deshalb macht es Sinn, breit gefächert unterschiedliche Lösungsansätze bei der Energiewende zu fördern. Das können Wellen- und Gezeitenkraftwerke sein, aber eben auch Cyanobakterien oder andere Formen der alternativen Stromerzeugung. Solar- und Windenergie werden immer wichtiger.

Dennoch: Alternative Ökostromlieferanten werden nach wie vor gesucht. Die Förderung von Projekten wie der Stromerzeugung durch Cyanobakterien hat langfristig das Potenzial erfolgreich zu sein und sollte deshalb in Erwägung gezogen und gefördert werden.

Neue, viel versprechende Methode der Stromerzeugung

Die Anzahl an Forschungsresultaten bei der Stromerzeugung mit Cyanobakterien ist vergleichsweise gering. Dennoch zeigen bisherige Experimente vor allem eines: Die Blaualgen haben das Potential, umweltfreundlich und autark Strom zu erzeugen. In der Zukunft wird sich zeigen, ob die Form von Energieträger skalierbar ist und tatsächlich für die Stromversorgung in der Europäischen Union verwendet werden kann. Angesichts der Klimaziele von Paris und den Ambitionen der Europäischen Union in der Umweltpolitik macht es bis dahin jedenfalls Sinn, die Forschung im Bereich Stromerzeugung mit Cyanobakterien weiterhin zu unterstützen.

( Zuletzt aktualisiert: 24.05.2023. Ursprünglich veröffentlicht: 13.01.2023 )

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Über die Autorin
Geschrieben von Mag. Victoria Breitsprecher, MA
Mag. Victoria Breitsprecher, MA
Victoria ist technische Redakteurin bei tarife.at. Sie bringt hochkomplizierte, technische Begriffe in eine verständliche Sprache. Unterstützung bekommt die Technik-Liebhaberin von ihrem Büro-Hund, Herr Baron 🐶.

Häufige Fragen zum Thema Stromerzeugung durch Blaualgen: Bakterienkulturen als alternativer Energieträger der Zukunft?

Die gesamte Stromproduktion in Österreich lag im Jahr 2021 bei rund 72,3 Terawattstunden (TWh).


Ja, zum Beispiel durch Cyanobakterien der Blaualgen. Bei Lichtzufuhr betreiben die Bakterien Photosynthese, verbrauchen demnach Wasser und Kohlendioxid, das in Zucker und Sauerstoff umgewandelt wird. Bei Dunkelheit setzen die Algen die gespeicherten Zuckermoleküle um, erzeugen somit Energie. Bei beiden Prozessen gelang es Forschern, Elektronen aus den Cyanobakterien zu leiten und so Strom zu erzeugen. Der derzeitige Forschungsstand steckt zwar noch in seinen Kinderschuhen, birgt aber überraschende Resultate.


Angenommen, man setzt die Bakterienkulturen auf Pilzen wie im Experiment des Forscherteams des Stevens Institute of Technology. Damit generieren die Cyanobakterien auf einem Pilzhut etwa 65 Nanoampere. Weil die Forscher nicht offenlegen, wie viel Volt sie mit den Bakterien produzierten, kann keine akkurate Rechnung aufgestellt werden. Sind die Volt vergleichsweise hoch, könnte man bereits mit weniger als 1.000 Pilzen eine Wohnung versorgen. In der Realität ist die Voltzahl jedoch wahrscheinlich wesentlich geringer, weshalb zehntausende oder sogar hunderttausende Pilze für die Stromversorgung einer einzigen, durchschnittlich großen Wohnung benötigt werden würden. Zusätzlich muss gesagt werden, dass man hier von optimalen Bedingungen ausgeht und etwaige Verluste wie etwa bei der Stromleitung bis zur Wohnung noch gar nicht mit eingerechnet hat.


2022 wurden in Österreich rund 62 TWh (Terawattstunden) Strom verbraucht. Insgesamt gesehen braucht der Industriesektor in Österreich etwa die Hälfte des gelieferten Strom. Private Haushalte verursachen mehr als ein Viertel des Stromverbrauchs. Im Durchschnitt verbraucht ein österreichischer Haushalt rund 4.400 Kilowattstunden (kWh) Strom im Jahr.