Aktuell sind viele Österreicher von (teilweise ungerechtfertigten) Gas - und Strompreiserhöhungen betroffen. Wir zeigen was Du jetzt gegen Preiserhöhungen tun kannst.
Die Energiepreise gehen in Österreich seit Winter 21 durch die Decke. Und die Gas- und Strompreiserhöhungen treffen Verbraucher in Österreich hart. Lag der das Preis-Maximum (Peak) im Dezember 2021 mit einem Börsenpreis noch von über 400 Euro für die Megawattstunde (MWh), so behauptet sich gegenwärtig der Strompreis immer noch mit rund 250 Euro pro Megawattstunde - insgesamt also ca. viermal so hoch wie vor einem Jahr. Die Regulierungsbehörde E-Control spricht bei einem durchschnittlichen Haushalt von folgenden Mehrkosten für Jänner 2022:
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Strom: 145-162€ teurer
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Gas: 165-195€ teurer
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Gesamt: 310-357€ teurer
Verbraucher müssen auch für das Jahr 2022 mit deutlichen Mehrbelastungen durch Gas- und Strompreiserhöhungen rechnen.
Gründe für die Energiepreiserhöhungen
Die Gründe für die gegenwärtigen Energiepreiserhöhungen sind vielfältig. Ein Auslöser für diese Entwicklung liegt in der grünen Politwende: Die Europäische Union (EU) besteuert Energiekosten über die sog. CO₂-Bepreisung. Und die sind richtig teuer geworden.
Was sind Emissionszertifikate?
Betreiber von Kraftwerken und Industrieunternehmen müssen Emissionszertifikate vorweisen, mit denen die EU die CO₂-Bepreisung festsetzt und steuert. Wie der Name schon andeutet, geht es bei dieser Art von Zertifikaten darum, die Erdatmosphäre von belastenden Treibhausgasen, eben den CO₂-Emissionen zu entlasten. Prinzipiell können Unternehmen eine vorgeschriebene Menge an CO₂-Treibhausgasen in die Atmosphäre emittieren. Oder über einen umsichtigen Energieverbrauch resp. durch technische Innovationen (etwa Filter) unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenze bleiben. Gelingt dies, kann das Industrieunternehmen Emissionsrechte über Zertifikate an andere Emittenten am Markt verkaufen.
Lag der Preis für solche Emissionszertifikate noch vor einigen Monaten bei weniger als 10 Euro für eine Tonne CO₂, so sind die Preise gegenwärtig mit über 60 Euro nach oben geschnellt.
Negativ wirken sich aber auch die hohen Rohstoffpreise aus. Neben Kohle geht es v.a. um Gas für die Stromproduktion. Konzerne müssen deutlich tiefer in die Tasche greifen, um Strom herzustellen und geben die daraus resultierenden Preissteigerungen an die Kunden weiter. Die Kostenexplosion machte sich nun zum Jahreswechsel 2021/22 besonders stark beim Endverbraucher wie auch an der Börse bemerkbar. So wurde am 25. Jänner der Strompreis mit 464,90 Euro für die Megawattstunde bei Spitzenbedarfen an der österreichischen Börse gehandelt.
Österreichischer Strompreisindex im Jahresvergleich
Berechnet wird der sog. Österreichische Strompreisindex (ÖSPI) von der Österreichischen Energieagentur. Ziel ist es, Transparenz für alle Marktteilnehmer herzustellen - für Energieversorger wie für die Endverbraucher in den Haushalten. Im Februar 2022 verbucht der ÖSPI gegenüber dem Vormonat Jänner einen Anstieg von 20,9%, verglichen mit dem Februar des Vorjahres sogar einen Anstieg um 143,3%!
Strompreisindizes Jänner & Februar 2021
Wichtige Bezugsgrößen für die Österreichische Energieagentur sind die Grundlast und Spitzenlast. Erstere meint - wie der Name schon nahelegt - jenen Teil der Energieversorgung, die durchgängig gewährleistet werden muss, sprich: bei Tag und Nacht wie auch zu jeder Jahreszeit. Zu den hierfür arbeitenden Grundlastkraftwerken gehören u.a. Atomkraftwerke (nicht in Österreich), Kohlekraftwerke oder Laufwasserkraftwerke. Starke Mehrbelastungen decken Pumpspeicherkraftwerke oder Gasturbinenkraftwerke ab. Peaks (also Spitzenlasten) beim Strombedarf gibt es naturgemäß tagsüber, besonders um die Mittagszeit.
MONAT BASE(GRUNDLAST) PEAK(SPITZENLAST) ÖSPI (GEWICHTET)
Jänner 21 84,17 72,52 0,45
Februar 21 85,71 73,55 81,82
Strompreisindizes Jänner & Februar 2022
Im Einzelnen steigt der Grundlastpreis mit 208,5 Indexpunkten um 20,5% gegenüber dem Jänner. Im Monatsvergleich steigt zudem der Spitzenlastpreis auf 178,93 Indexpunkte, was einem Plus von 21,1% entspricht.
MONAT BASE(GRUNDLAST) PEAK(SPITZENLAST) ÖSPI (GEWICHTET)
Jänner 21 173,11 146,55 164,62
Februar 21 208,55 178,93 199,08
Corona, Russland und gestiegene Energiekosten
Argumentiert wird bei der Explosion der Energiepreise oftmals mit einer aus den Fugen geratenen Marktdynamik durch die Corona-Krise. Einer erlahmenden Nachfrage nach längeren Lockdowns stehe nun seit Herbst eine Art Bedarfsschock gegenüber. Zwar spielt diese Dynamik durchaus eine Rolle, doch nicht weniger relevant ist die Abhängigkeit von Russland, aus welchem Europa das Gros seines Energiebedarfs in Gestalt von Gas bezieht.
Das Problem: Über das Transitland Ukraine liefert Gazprom weniger Gas in den Westen als üblich. Experten vermuten in dieser Verknappungsmaßnahme einen wirtschaftspolitischen Hebel für die Durchsetzung von Nord Stream 2. Sollte das Gas über diese geplante Ostseepipeline zu den europäischen Konzernen gelangen, würde Gazprom sich teure Transitkosten sparen. Gegenwärtig werden rund 45% des Gasbedarfs in Österreich mit heimischer Produktion gedeckt. Die Crux: Die europäischen Gasreserven erschöpfen sich mehr und mehr, indes der Grundbedarf nach Gas in Europa auf absehbare Zeit gleich hoch bleiben wird. Europa wird auf lange Sicht mehr und mehr von außereuropäischen Lieferanten abhängig.
Nord Stream 2 & Österreich
Die Pipeline Nord Stream 2 verläuft von Russland aus rund 1.230 Kilometer über den Grund der Ostsee ins deutsche Lubmin, einer kleinen Gemeinde östlich von Greifswald. Federführend für die Planung, den Bau und den Betrieb ist die Projektgesellschaft Nord Stream 2 AG mit Sitz in Zug in der Schweiz. Gehalten werden die Unternehmensanteile zu 50% von einer hundertprozentigen Gazprom-Tochtergesellschaft. Involviert sind in der Nord Stream AG fünf europäische Energiekonzerne, darunter die österreichische OVM.
Diese und vier andere Unternehmen sind an der Projekt-Finanzierung zu je 10% beteiligt und erhoffen sich nach Abgabe des Gases in den Energiemarkt eine zügige Refinanzierung des geleisteten Investments. Abgenommen wird das russische Gas im Energiehub Baumgarten in Niederösterreich. Dadurch liegen die Ziele von Nord Stream 2 auf der Hand: ein deutlich kürzerer (und kostengünstigerer) Weg von Russland nach Europa, österreichische Haushalte profitieren durch preislich wettbewerbsfähiges Gas, zudem bedeutet billigeres Gas für die europäische Industrie einen Standortvorteil im globalen Wettbewerb. Die (politische) Kehrseite der Medaille: die noch größere Abhängigkeit von Russland.
Dramatische Gas- und Strompreiserhöhungen für Verbraucher
Kündigung bei Preisgarantie
Einige wenige in Österreich tätige Energieanbieter versuchen der Preisexplosion am Energiemarkt durch Kündigungen Herr zu werden. Von sich reden machte hier etwa ein Provider, der kurz vor Weihnachten 2021 Kündigungen für bestehende Vertragspreise aussprach - und das dreister Weise bis zum ersten Jänner 2022.
Das Pikante daran: Die Kündigungen betreffen auch Verträge mit aufrechter Gas- und/oder Strompreisgarantie. Aus Sicht des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) ist dieses Vorgehen alles andere als rechtens: Normalerweise sind beide Vertragsparteien an die Preisgarantie gebunden, üblicherweise beträgt diese 12 Monate, kann aber auch ein fixes Datum sein. Entsprechend dem Grundsatz Pacta sunt servanda ist eine Kündigung innerhalb des vertraglich festgesetzten Zeitraumes der Preisgarantie nicht möglich, es sei denn, beide Parteien einigen sich übereinstimmend auf eine vorzeitige Beendigung des Vertrags.
Bist du von solch einer Kündigung im Rahmen der gegenwärtigen Gas- und/oder Strompreiserhöhungen betroffen sein, raten wir dringend dazu, Widerspruch einzulegen:
Musterbrief Kündigung bei Preisgarantie
Preisänderung bei Preisgarantie
Neben Kündigungen bei einer vertraglich fixierten Preisgarantie sind auch Gas- und Strompreiserhöhungen nicht rechtens. Der Hintergrund: Bietet ein Energieanbieter eine solche Preisgarantie in seinem Tarif-Portfolio an, muss dieser prinzipiell auch das Risiko erhöhter Energiepreisentwicklungen tragen. Eine Weitergabe erhöhter Preise an den Kunden ist daher bei einem laufenden Vertrag mit Preisgarantie ausgeschlossen.
Musterbrief Preisänderung Preisgarantie
Kündigung ohne Preisgarantie
Läuft dein Vertrag schon außerhalb der Mindestvertragsdauer und ohne fixe Preisgarantie, musst du eine Kündigungen von Strom- bzw. Gasversorgern leider hinnehmen. Wird dir mit der Kündigung ein alternativer Tarif vorgeschlagen werden, solltest Du, bevor du es annimmst, zur Sicherheit über den Strom- oder Gaspreisvergleich von tarife.at zunächst nach günstigeren verfügbaren Tarifen suchen.
Preiserhöhung in der Mindestlaufzeit
Liegt keine Preisgarantie vor, musst Du leider auch während der vertraglich geregelten Mindestlaufzeit etwaige Tarif-Erhöhungen hinnehmen. Einen tatsächlichen Schutz hätte tatsächlich nur eine im Vertrag ausgehandelte Preisgarantie geboten. Prinzipiell hast Du als Kunde aber ein Widerspruchsrecht. Machst Du von diesem Gebrauch, läuft der Vertrag noch drei Monate zu den Ausgangskonditionen weiter. In den Wochen vor der Vertragsbeendigung solltest Du aber schon nach einem neuen Energieanbieter Ausschau halten, um einen Stromanbieter-Wechsel nahtlos ablaufen zu lassen.
Wurde der bestehende Tarif bereits gekündigt oder bist Du von einer immensen Gas- und/oder Strompreiserhöhung betroffen, solltest du rechtzeitig einen neuen Abschluss bei einem anderen Versorger in Blick nehmen. Um einen nahtlosen Übergang bei der Energieversorgung sicherzustellen, solltest Du spätestens drei Wochen vor dem Auslaufen des bestehenden Vertrages einen Wechsel vorgenommen haben. Am Wechselstichtag solltest Du den Zählerstand ablesen und dem lokalen Netzbetreiber zukommen lassen.
Vertrag ohne Bindefrist
Schließt du zum jetzigen Zeitpunkt einen Vertrag ohne Bindefrist oder Mindestvertragslaufzeit ab, denn so können Sie den Energiepreismarkt weiterhin beobachten und laufend Angebote sichten. Ein erneuter Wechsel ist dann unkompliziert und schnell möglich, wenn die Preise wieder sinken und somit attraktiver werden.
Kündigung bei Mindestlaufzeit
Nicht wirksam sind einseitige Kündigungen innerhalb der Mindestlaufzeit. Eine vertraglich so fixierte Vertragsbindung (in Österreich immer maximal 12 Monate) soll beiden Parteien Sicherheit und Planbarkeit garantieren. Entsprechend ist eine Kündigung von Deinem Energieanbieter nur dann rechtens, wenn beide Parteien einer Vertragsauflösung zustimmen. Auch für den Fall einer Kündigung bei einem laufenden Vertrag mit Mindestlaufzeit raten wir zum Widerspruch.
Musterbrief Kündigung Mindestvertragsdauer
Preiserhöhungen bei Strom und/oder Gas außerhalb der Mindestvertragszeit & Preisgarantie
Sollte Dich ein Schreiben bezüglich einer Gas- und/oder Strompreiserhöhungen außerhalb der Mindestvertragslaufzeit bzw. Preisgarantie erreichen, so ist dies juristisch prinzipiell nicht zu beanstanden. Reagieren kannst Du auf eine solche Energiepreiserhöhung aber mit folgenden Mitteln:
Verbleib ohne Widerspruch
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Widersprich dem Schreiben Deines Energieanbieters nicht gleich, sondern tritt mit ihm in Kontakt und versuche ein alternatives Angebot zu bekommen.
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Wechsle den Strom- bzw. Gasanbieter über tarife.at und überlasse uns die Kündigungsformalitäten. Erfahrungsgemäß dauert ein Anbieterwechsel etwa drei Wochen.
Mit Widerspruch
Trudelt ein Schreiben mit der Ankündigung einer Gas- oder Strompreiserhöhung ein, geschieht dies üblicherweise mit einer vom Energielieferanten gesetzten Frist. Machst Du von Deinem Widerspruchsrecht Gebrauch, solltest Du dies über ein Einschreiben oder zumindest via E-Mail mit Lesebestätigung tun. Ein Widerspruch kommt dann erfahrungsgemäß einer Kündigung mit Dreimonatsfrist gleich, darum solltest Du im Monat vor Ablauf des Vertrages bei tarife.at einen neuen Strom- bzw. Gastarif suchen. Bis zum Tag des Wechsels zahlst Du dann noch den alten Preis bei Deinem bisherigen Anbieter.
( Zuletzt aktualisiert: 16.01.2023. Ursprünglich veröffentlicht: 13.01.2023 )