“Zeit, Ebbe und Flut wartet auf niemanden” lautet ein bekanntes Sprichwort, dass die Eigenschaften der Gezeiten hervorhebt. Jahrhundertelang waren Wellen für den Menschen Mysterium, Glück und Gefahrenquelle zugleich. In der Zukunft könnte die Macht der Wellen jedoch schon bald zum Vorteil des Menschen genutzt werden. Denn sollte es gelingen, die eindrucksvolle Kraft der Wellen im großen Stil effizient für die Energiegewinnung verwenden zu können, stellt das einen gewaltigen Durchbruch für Technologie und Ökostrom dar.
Wie weit ist die Forschung jedoch schon bei der Nutzung der Wellenenergie? Wie funktioniert die Stromerzeugung hier und gibt es bereits Testversuche, in denen durch Wellenenergie Strom erzeugt wird? Wir haben dazu hier die aktuellsten Methoden der Energiegewinnung durch Wellenkraft zusammengestellt und beleuchten etwas genauer, welche Methode vielversprechend klingt und sich durchsetzen kann. Zuletzt gehen wir auf die Vorteile und Nachteile von Wellenkraftwerken ein.
Pneumatische Kammern - Energieerzeugung durch Turbinenantrieb
Energieerzeugung durch pneumatische Kammern ist eine der am meisten beachteten Technologien bei der Herstellung von Wellenkraft. Sie funktionieren auf Basis des OWC-Prinzips (Oscillating Water Column; schwingende Wassersäule). Das sind kaminartige Betonröhren, in die bei Wellengang Wasser eindringt. Dadurch wird Luft eingesaugt oder komprimiert. Bei einem Wellental strömt das Wasser wieder aus, die unter Druck stehende Luft verlässt die Röhre nun schnell wieder. Dadurch entsteht ein Luftstrom, der eine speziell für Wellenkraftwerke erzeugte Turbine antreibt. Das erzeugt unregelmäßig Energie, fügt man jedoch genügend Turbinen zusammen, gleicht sich das Level an erzeugtem Strom an.
2001 wurde ein OWC-Wellenkraftwerk an der Küste der schottischen Insel Islay errichtet. Es speiste als erstes Kraftwerk Energie auf Basis von pneumatischen Kammern in das Stromnetz ein. Die tatsächliche Leistung des Kraftwerks blieb mit 212 Kilowatt weit hinter den erhofften 500 Kilowatt zurück. Grund dafür war unter anderem die Nähe der Küste, die sich konträr zu den Erwartungen und Testversuchen als negativer Faktor entpuppt hat. Das Unternehmen hinter der Anlage wurde jedoch 2005 von der Firma Voith Hydro übernommen. Mittlerweile betreibt die Firma sogar ein zweites OWC-Kraftwerk in Spanien und hält in Schottland mit 16 Wells-Turbinen (spezieller Turbinentyp für Wellenkraftwerke) eine konstante Leistung von etwa 300 Kilowattstunden.
Kraftwerke in Schlangenform - Energiegewinnung an der Wasseroberfläche
Neben pneumatischen Kammern gibt es einige andere Arten der Energieerzeugung durch Wellen, die bereits erprobt wurden. Sogenannte Attenuatoren sind auf der Wasseroberfläche schwimmende Elemente, die durch Gelenke verbunden, die Bewegungen des Meeres in Strom umwandeln. Konkret sorgen Bewegungen an der Meeresoberfläche dafür, dass sich in den Elementen befindende Flüssigkeit durch Turbinen und Generatoren in Ausgleichszylinder drückt. Bei dem Vorgang wird kurzfristig Strom erzeugt. Bei vielen Turbinen kann die ungleiche Stromerzeugung insgesamt gleichmäßiger genutzt werden. Das bekannteste Beispiel hierfür liefert erneut Schottland mit mehreren “Seeschlangen”, die vor der Küste Spaniens angebracht wurden. Tatsächlich hatte die Firma nach einigen Jahren Forschungs- und Erprobungszeit Finanzprobleme und meldete 2005 die Insolvenz an.
Mittlerweile gibt es jedoch neue Innovationen, um mit “Schlangen” auf der Wasseroberfläche Strom zu erzeugen. Hierbei soll die Anlage “Anaconda” aus Gummi gefertigt werden. Das bringt eine signifikante finanzielle Ersparnis bei der Herstellung. Interessant ist auch, dass bereits Schiffe mit Wellenkraftwerken ausgestattet wurden, um so einen zusätzlichen “grünen” Motor herzustellen. Das ist ebenfalls jedoch bisher nur in einigen wenigen Fällen passiert, in denen Forschung und Weiterentwicklung der Stromerzeugung durch Wellen im Vordergrund standen.
Punktabsorber - Die vielleicht vielversprechendste Technologie
Bei dieser Technologie sorgt die Bewegung von Auftriebskörpern durch Wellengang relativ zu einem Fixpunkt dafür, dass Strom erzeugt wird. Sie ist die vielleicht vielversprechendste Technologie, weil derzeit die höchste Anzahl an Wissenschaftlern im Bereich Wellenenergien an ihnen forscht. Ihr Vorteil ist, dass sie wenig Platz benötigen, was angesichts begrenzter frei verfügbarer Küstenfläche ein starker Punkt ist. Verwendet werden dabei wahlweise Lineargeneratoren, Hydraulikzylinder und Ähnliches.
Erneut zeigt hier Schottland das größte Interesse. Vor den Orkney-Inseln wird derzeit eine neue Form von Punktabsorbern installiert, die sich qualitativ von allen bisherigen Modellen und Prototypen unterscheiden soll. Konkret handelt es sich schlichtweg um eine Boje, die sich auf- und abbewegt. Die Energie aus den Bewegungen soll dabei über eine gezahnte Schiene und eine Art Getriebe aus acht Zahnrädern in eine Drehbewegung umgesetzt werden, die dann einen Generator antreibt. Das System soll sich in Tests bewährt haben und fünfmal mehr Energie pro Tonne erzeugt haben, als bisher andere Punktabsorber. Wie funktioniert das? In den Gewässern vor den Orkney-Inseln hat die Anlage mit sehr starkem Wellengang zu kämpfen - durch Dämpfer kann die Maschine damit umgehen und den Herstellern zufolge sogar die stärksten Wellen für die Energiegewinnung nutzen. Außerdem ist das achtteilige Kaskaden-Getriebe in der Lage, die Energie besonders gleichmäßig an den Generator abzugeben - unabhängig von der Stärke des Wellengang. Insgesamt handelt es sich bei dem C3-Wellenenergie-Konverter um eines der vielversprechendsten Projekte in der Wellenkraft-Forschung überhaupt.
Überspülende Wellen - Ein interessantes, jedoch gescheitertes Wellenenergie-Modell
Ein anderer Versuch, die Kraft der Wellen für sich zu nutzen, war das Projekt “Wave Dragon” in Dänemark. Es fand nahe der dänischen Küste zwischen 2003 und 2007 statt, wurde jedoch aufgrund mangelnder technischer Funktionalität und wirtschaftlicher Rentabilität 2007 nicht mehr weiter von der Europäischen Union gefördert und damit beendet. Wellen sollen dabei auf eine v-förmige Metalloberfläche hinauf fließen, die nach oben schmäler wird. Oben angekommen fließt das Wasser dann über Turbinen, die einen Generator antreiben, wieder nach unten.
Eine Vielzahl anderer Ideen und Arten, Strom aus Wellenenergie zu schaffen wurden in den vergangenen Jahrzehnten in die Welt gesetzt. Tatsächlich sind sie jedoch von wesentlich geringerem Erfolg gekrönt, als die bisher genannten Modelle für die Stromerzeugung durch Wellen.
Zukunft und Gegenwart der Wellenenergie
Die Wellenenergie liegt ganz deutlich hinter praktisch allen anderen Formen der erneuerbaren Energie. Experten schätzen ein, dass die Stromerzeugung durch Wellen in ihrer technologischen Entwicklung circa 30 Jahre hinter allen anderen regenerativen Formen der Energiegewinnung liegt. Das ist der Grund, weshalb alle Wellenenergiekraftwerke derzeit lediglich Prototypen oder Testprojekte sind. Wird die Forschung auf dem Gebiet jedoch weiterhin gefördert, verspricht diese Form der Energiegewinnung enormes Potential. Die Hauptgründe hierfür sind relativ leicht erkennbar:
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Platzsparend. Natürlich ist auch das Gebiet für den Einsatz von Wellenkraftwerken begrenzt. Wesentlich mehr Spielraum gibt es jedoch im Vergleich zu freien Flächen für Windkraftparks oder etwa neue Staudämme an Land. Besonders weil die Technologie noch nicht sehr fortgeschritten ist, liegt im Bereich des Möglichen, dass in der Zukunft auch fernab von der Küste im größeren Stil Strom produziert werden könnte. Gerade deshalb birgt die Wellenenergie derart enormes Potential.
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Kontinuität und Verlässlichkeit. Spricht man der Energiewende, wird oft das Thema Unzuverlässigkeit und unregelmäßige Stromproduktion genannt. Tatsächlich können etwa Solar- oder Windkraftparks nicht die Liefergarantie bieten, die etwa Kohlekraftwerke mitbringen. Deshalb kann in mittel- bis langfristiger Zukunft die Wellenenergie als Basis und Ausgleich bei mangelhaften alternativen Stromquellen Sinn machen. Experten zufolge hat die Wellenenergie das Potential, weltweit etwa 10 Prozent des Strombedarfs zu decken. Wie vorhin erwähnt ist das mit fortschreitender und widerstandsfähiger Technologie jedoch keinesfalls noch das Limit.
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Schonung von Ressourcen. Während beispielsweise Solaranlagen seltene Metalle benötigen, um zu funktionieren, werden Wellenkraftanlagen überwiegend aus Gummi oder Stahl gebaut. Derzeitige Modelle basieren häufig auf Gummi, um Kosten einzusparen und höhere Effizienz zu bieten.
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Unabhängigkeit. Während beispielsweise Solarparks, Windkraftanlagen oder fossile Energieträger durch Umweltkatastrophen leicht beschädigt werden können, kann das bei Wellenkraftwerken eher selten passieren. Sie liegen im Wasser und sind für alle Witterungen gebaut. Während vor wenigen Jahren Wellenkraftwerke existierten, die Unwettern zum Opfer fielen, setzen Entwickler heute auf maximale Robustheit. Gerade weil sie häufig an der rauen Küste Schottlands eingesetzt werden, ist ihre Langlebigkeit und Unempfindlichkeit ein elementarer Faktor.
( Artikel veröffentlicht: 13.01.2023 )