In nur fünf Jahren soll die österreichische Stromversorgung ausschließlich aus erneuerbaren Energien stammen. Die Änderungen im System bringen große Neuerungen und Umbauarbeiten mit sich. Die Netzbetreiber haben nun die Ausbaupläne für die nächsten zehn Jahre veröffentlicht.
Früher war der Netzaufbau einfacher: Es gab Stromproduzenten, die lieferten Strom an die Netzteilnehmenden. Alles floss, vereinfacht gesagt, in eine Richtung. Dazu wurde Strom fast ausschließlich untertags genutzt, in der Nacht wurde er kaum gebraucht.
Heute ist es durchaus komplizierter – denn nicht nur ist der Strommarkt liberalisiert, es haben sich auch die Ebenen der Produktion verschoben. So gibt es heute viele Netzteilnehmer:innen, die Strom konsumieren, aber auch zusätzlich mit einer PV-Anlage am Dach produzieren und in die Netze einspeisen. Das macht vieles komplizierter, aber uns alle generell auch etwas unabhängiger. Zudem brauchen wir mittlerweile rund um die Uhr Strom, die Strombelastung ist völlig anders als noch etwa vor 50 Jahren. Die Netzbetreiber stellt diese Neuordnung vor große Herausforderungen. Immerhin müssen die Netze einer viel volatileren Nutzung standhalten.
Das alte Bild von Produzenten auf der einen Seite und Verbrauchern auf der anderen und dazwischen die Netze – das entspricht nicht mehr der aktuellen Realität. Kund:innen sind immer öfter auch aktive Teilnehmer im Stromsystem, etwa als Produzenten von Sonnenstrom, als Betreiber von privaten Speichern oder als Mitglieder einer Energiegemeinschaft.
Brigitte EdererSprecherin des Forums Versorgungssicherheit
Die Netzbetreiber haben nun die Netzentwicklungspläne veröffentlicht. Diese sind hier aufgelistet.
Digitalisierung der Netze
Ein Schlüssel zu einem flexibleren Stromsystem liegt in der Digitalisierung – so etwa in den digitalen Smart Metern, deren Rollout mit Ende 2024 zu 95 Prozent abgeschlossen sein wird, so das Forum Versorgungssicherheit. Diese Smart Meter bilden die Grundlage für neue smarte Nutzungen, zum Beispiel machen sie auch Energiegemeinschaften möglich.
Für die Betreiber von PV-Anlagen und Windkraftwerken ist es wichtig, zu wissen, ob und wieviel Strom sie ins Netz einspeisen können. Das gilt für große Betreiber ebenso wie für private Haushalte mit PV-Paneelen auf dem Dach. Sollten nämlich die Kapazitäten im Netz bereits ausgeschöpft sein, können Anlagen womöglich nur mit reduzierter Leistung betrieben werden oder erst nach einem weiteren Ausbau ans Netz gehen.
Zukünftig will man dies mittels Power Map darstellen, sowie generell zusätzliche Transparenz schaffen. In dieser Karte sind sämtliche Umspannwerke und Trafostationen eingezeichnet. Dies soll neuen Netzteilnehmenden helfen, zu sehen wie die Versorgungslage vor Ort ist. Wer Strom ins Netz einspeisen will, musste bislang einige Tage auf eine Auskunft warten. In der Power Map soll die Versorgungslage sofort einsehbar werden. Sogar eine Kosteneinschätzung soll abrufbar sein. Die Darstellung in Echtzeit ist möglich, weil auf digitalem Weg stets ein aktuelles Modell der Lastverteilung im Stromnetz erstellt werden kann.
Neue Netztechnik
Auch sollen technische Innovationen in unsere Netze verbaut werden, etwa werden die Freileitungen auf wetterabhängigen Betrieb umgerüstet. Dabei macht man sich den physikalischen Effekt zunutze, dass Leitungen bei niedrigen Temperaturen oder bei Kühlung durch starken Wind mehr Strom transportieren können. Durch exakte Echtzeitmessungen soll die Übertragungskapazität um bis zu 70 Prozent gesteigert werden können. In den Umspannwerken Kettlasbrunn und Gaweinstal wurden bereits die ersten Wetterstationen errichtet.
Außerdem wurden die Netze auf das sogenannte bidirektionale Laden eingestellt. Bei diesem System wird die Batterie eines E-Mobils ins lokale Stromsystem integriert. Der Strom einer vollgeladenen Batterie kann dann bei Bedarf entnommen und beispielsweise zum Betrieb der Waschmaschine verwendet werden – anschließend wird das Auto wieder mit dem Sonnenstrom vom eigenen Dach befüllt. Das Auto fungiert als eine Art Batterie oder Powerbank. Noch sind nicht alle Typen von E-Mobilen für dieses System geeignet, aber von Seiten der Netzbetreiber soll dies nun jederzeit möglich sein.
Stabile Rahmenbedingungen
Die Netzbetreiber wünschen sich nun langfristige Rahmenbedingungen, um diesen Ausbau vorantreiben zu können und appellieren daran, dass das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) möglichst zügig umgesetzt werden sollte.
Das ElWG ist gewissermaßen das Betriebssystem für unsere Energiewirtschaft. Es braucht ein Update, aber eines, das die Grundlagen für unsere weitere Arbeit verbessert.
Werner HengstGeschäftsführer Netz Niederösterreich